Sommersemester 2024 - aktuelle Autonome Tutorien

Am Boden zerstört? Ob in emanzipatorischen Protestforderungen von „Keep it in the ground“ bis „Ocupar, produzir, resistir“, ob im Kapitalinteresse zunehmender land grabs oder in praktischer Aushandlung von (Wohn-)Raumfragen: Der Boden ist zurück. Vor allem vor dem Hintergrund der Klimakrise und eines zunehmend zerrütteten und zerstörerischen Mensch-/Naturverhältnisses. Boden kann – so der erste Aufschlag – ein wichtiger Knotenpunkt für Diskussionen um die Bestimmung von Menschen und / in der Natur sowie für politische Kämpfe für Räume, für andere Lebensformen und gegen produktivistische Zerstörungen sein. Aber kann uns der Boden als Bezugspunkt auch für die Theoriearbeit überzeugen? Dem wollen wir uns im Tutorium annähern und den Boden aus einer theoretischen Perspektive diskutieren. Ziel ist  dabei auch, herauszufinden, ob (und, wenn ja, inwiefern) Boden explizit als Bezugspunkt für emanzipatorische Theorien und Kämpfe geeignet ist. Im Tutorium können dazu sowohl ideengeschichtliche wie (neu-)materialistische Perspektiven diskutiert werden. Mein erster Aufschlag wäre, mit liberalen (Boden-)Eigentumsbegründungen und deren Kritik zu beginnen und dann zu gegenläufige Perspektiven, wie sie bspw. im Stoffwechselbegriff Marx oder in aktuelleren Ansätzen rund um die sogenannten Neuen Materialismen aufspürbar sind, überzugehen. Über Vorschläge zu anderen Texte und Fokussetzungen freue ich mich sehr.

Christopher Hamich (er/ihm)

Mittwoch 18-20 Uhr

Raum am Westend Campus

Anmeldung: at-boden@posteo.de

1996 veröffentlichte der US-amerikanische Soziologe und Politikwissenschaftler Daniel Jonah Goldhagen das Buch Hitlers willige Vollstrecker – Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust, mit dem er in Deutschland heftige Debatten auslöste: „Es war eine unglaubliche und in der Form eigentlich noch nie dagewesene öffentliche Auseinandersetzung aus Anlass eines Buches“ (Norbert Frei).  Rekurrierend auf den „eliminatorischen Antisemitismus“, machte Goldhagen gerade in diesem die Spezifik für die Shoah aus. Der Antisemitismus sei schon lange vor Hitler tief in der deutschen Gesellschaft verwurzelt gewesen.

Schon im Titel des Buches wird Goldhagens zentrale These deutlich: die Deutschen wurden nicht zum Mord an den Jüdinnen:Juden gezwungen, sie taten es freiwillig. Es waren also nicht ein paar wenige SS-Männer, die den millionenfachen Mord an Jüdinnen:Juden begingen, sondern „ganz gewöhnliche Deutsche“. Mit dieser Aussage stieß Goldhagen auf viel Kritik, seinem Buch wurde zumeist eine Pauschalverurteilung der Deutschen vorgeworfen, die mit den Erkenntnissen der Forschung nicht haltbar wäre. Im Rahmen des Tutoriums wollen wir zum einen gemeinsam Passagen aus dem 1996 erschienen Buch lesen und uns zum anderen der Kontroverse um das Buch zuwenden.

Wie reagierte die deutsche Bevölkerung in den 90er Jahren auf diese „Anschuldigungen“ des amerikanischen Soziologen? Was lässt sich aus Goldhagens Thesen über den Antisemitismus in Deutschland allgemeiner und die Shoah im speziellen ableiten?

Leonie Wüst (sie/ihr)

Erster Termin am Dienstag, 29.10, 12-14 Uhr

Raum am Westend Campus

Anmeldung: leoniewuest@stud.uni-frankfurt.de

„Are you an environmentalist or do you work for a living?“ (Schaupp 2024, 343)

Spätestens seit Anfang diesen Jahres, als Fridays For Future gemeinsam mit Ver.Di unter der Prämisse #wirfahrenzusammen für bessere Arbeitsbedingungen im Nahverkehr gestreikt haben, ist wieder die Frage, wie sich klimapolitische Fragen und Klassenkampf vereinigen lassen, in aller Munde. Gleichzeitig ist das Ressentiment gegen Klimaaktivist*innen, nicht arbeiten zu gehen und die Situation der Arbeitenden nicht zu verstehen, stark wie eh und je. In diesem Tutorium wollen wir uns deshalb verschiedene Praxisbeispiele aus linken Kämpfen angucken, die Klimagerechtigkeits- und Klassenperspektiven zusammen einnehmen und diese anschließend mit verschiedenen aktuellen theoretischen Ansätzen wie Stoffwechselpolitik, Working Class Environmentalism und Klimagerechtigkeit unterfüttern. Wir möchten dazu auch – vorbehaltlich, dass Kontaktaufnahme klappt – eigene Forschungen zu sozial-ökologischen Kämpfen hier in der Region durchführen. Am Schluss wollen wir mit feministischen Perspektiven über utopische Zukünfte nachdenken. Gerade bei letzterem Punkt freuen wir uns, wenn Teilnehmende eigene Vorschläge und Interessen einbringen.

Wir wollen in dem Tutorium nicht über Andere lesen und schreiben, sondern vielmehr die Brücke zwischen Theorie und Praxis schlagen. Dazu gehört auch, dass wir aktivistische Theorieproduktion ernst nehmen und dass alle Menschen, ob Studis oder nicht, willkommen sind!

Another world is possible!

Clara Gander (sie/ihr) und Sebastian Schulze (er/ihm)

Erster Termin am 30.10.24, Mittwochs 12-14 Uhr

Raum am Westend Campus

Anmeldung: clarag@stud.uni-frankfurt.de

Geschlechterverhältnisse strukturieren den Alltag, gesellschaftliche Verhältnisse und nicht zu- letzt die Subjekte. Durch vergeschlechtlichte Sozialisationen, divergente Identifikationsange- bote und Sanktionsmaßnahmen gegenüber Abweichenden der Heteronormativität hindurch sind patriarchale Geschlechterverhältnisse tief in den Subjekten verankert, bewusst wie unbewusst. Besonders letzteres zu verstehen ist Anspruch der Psychoanalyse: warum der Mensch nicht „Herr im eigenen Haus“ ist, und Geschlechterverhältnisse damit bis in die Triebstruktur hinein gesellschaftlich präformiert sind. Der Frage, wie diese Prozesse verstanden werden können, soll sich mit drei inhaltlichen Blöcken gewidmet werden. Zunächst wird in die Freud’sche Psycho- analyse mit Fokus auf deren Geschlechter- und Sexualitätstheorie eingeführt (Block 1). An- schließend sollen verschiedene gesellschaftstheoretische Weiterentwicklungen in der Kriti- schen Theorie betrachtet werden (Block 2). Zuletzt werden wir uns mit aktuellen geschlechter- theoretischen Ansätzen auseinandersetzen, wie unter anderem Die Fesseln der Liebe von J. Benjamin, Feindbild Frau von R. Pohl und den Aufsatz zur Petro-masculinity von C. Daggett (Block 3). Damit zielt das Tutorium darauf ab, sich einem Verständnis der Reproduktion patri- archaler Denk- und Handlungsstrukturen in den Subjekten unter postfordistischen Gesell- schaftsverhältnissen zu nähern.

Marc Blüml (er/ihm)

Mittwoch 14 bis 16 Uhr c.t.

IG Farben Campus

Anmeldung: marc.blueml@stud.uni-frankfurt.de

Im letzten Sommersemester haben wir gemeinsam den ersten Band von Beauvoirs Das andere Geschlecht gelesen – in diesem Semester wollen wir unsere gemeinsame Lektüre mit dem zweitenBand fortsetzen. Beauvoir beschäftigt sich hier mit dem Drama der Frau, die zwischen ihrem Anspruch, sich als Subjekt zu konstituieren, und einer (im Patriarchat grundlegenden) Situation, die sie sich nicht als Subjekt erfahren lässt, eingespannt ist. Um zu der Frage vorzudringen, ob und wie sie aus der ihr zugewiesenen Sphäre ausbrechen kann, untersucht sie, wie die Frau überhaupt „Frau“ wird, aber auch, wie sie ihr Frausein erlebt.

Es ist wichtig zu betonen, dass der Besuch des AT zum zweiten Band weder den Besuch des AT zum ersten Band noch eine eigenständige Lektüre des ersten Bandes voraussetzt, sondern allen Interessierten offensteht. Zu diesem Zweck werde ich zu Beginn des ATs einen Überblick über eine Reihe von Punkten geben, die für die Lektüre des zweiten Bandes relevant sind. Wie schon im vorangehenden AT ist es mir wieder ein Anliegen einen geschützten Raum für den Austausch über feministische Themen und Fragestellungen zu schaffen, der Teilnehmenden aller Geschlechter offensteht. Wir wollen Männer nicht ausschließen, denn auch sie müssen in den feministischen Kampf einbezogen werden und die Erfahrung der Frau im Patriarchat begreifen. Statt Männer zum neuen „Anderen“ zu erklären, müssen wir das Denken des Anderen überhaupt überwinden.

Parisad Mousaviani (sie/ihre)

Erster Termin am 17.10.24 18-20 Uhr 

Raum am Campus Westend

Anmeldung: p.mousaviani@yahoo.de

 

Lohnarbeit stellt eine zentrale Form kapitalistischer Vergesellschaftung dar. Unter der Herrschaft des Kapitals nimmt die gesellschaftliche Arbeit einen abstrakten Charakter an, der den Subjekten als mystisch und verdinglicht entgegenschlägt. Die produktivistische Verklärung von Arbeit steht dabei dem Mühsal und den Entsagungen in der alltäglichen Verausgabung der Arbeitskraft sowie in prekären Soziallagen entgegen. Das AT möchte der autoritären Verarbeitung von Lohnarbeit auf die Spur gehen und dabei im ersten Block vor allem anhand von Mosihe Postone die wertkritische Lesart der Arbeit als verdinglichte gesellschaftliche Form nachvollziehen. Im zweiten Block wollen wir uns mit Foucault, Marx und Horkheimer der Disziplinierung von Arbeit in historischer Perspektive beschäftigen und uns anhand von Lelles Studie “Arbeit , Dienst und Führung” der Verklärung von Arbeit und ihrer Verschränkung mit Barbarei im NS zuwenden. Im dritten Block geht es um aktuelle(re) Studien zur innerpsychischen, autoritären Verarbeitung von bestimmten Lagen am Arbeitsmarkt und konkreten Situationen am Arbeitsplatz unter Lohnabhängigen. Schließlich wollen wir im vierten Block kritische Transformationsansätze von Arbeit diskutieren.

Robin Sachsenröder (er/ihm)

Raum am Campus Westend

Dienstag, 16-18 Uhr

Anmeldung: s9154660@stud.uni-frankfurt.de

 

Liebe Kommiliton*innen,

Sendet uns die unten genannten Unterlagen
einfach an fachschaft@soz.uni-frankfurt.de. Einsendeschluss für das Wintersemester 2024/25 ist der 01.07.24.

Wir sind gespannt auf eure Ideen und freuen uns insbesondere über Bewerbungen von Flinta*, Migrant:innen, B(I)PoC und Menschen mit Behinderung.

Eure Fachschaft 03

Formale Kriterien

Bewerbung bitte mit folgenden Angaben an uns (fachschaft(at)soz.uni-frankfurt.de):

• Titel und Konzept des Tutoriums (d.h. eine halbe bis eine Seite, die skizziert was ihr
vorhabt; eure Inhalte, Vorgehensweise und weshalb ihr dieses Thema für relevant
erachtet – ihr müsst nicht jede Sitzung ausgearbeitet haben). 

• ein kurzer Ankündigungstext eures Tutoriums (max. 1.500 Zeichen), welcher in Kürze
vorstellt, was der Inhalt des Tutoriums sein soll.
• Kontakt (euren Namen, E-Mail und – wenn schon bekannt – Zeit- und
Raumvorstellungen für das Tutorium angeben). 

• 5 Unterschriften von Interessierten, die euer AT unterstützen. Das Formular dazu
könnt ihr selbst erstellen oder auf unserer Website downloaden. 

• Bitte teilt uns euren angestrebten oder abgeschlossen universitären Abschluss mit
(Dabei dürft ihr keinen Master oder höheres haben, da wir diese nicht finanzieren
können). Ansonsten hat euer Abschluss keinen Einfluss auf den Auswahlprozess,
sondern ist nur für unsere Absprachen mit der Uni vonnöten.
• Bitte sendet uns alles gebündelt in einem pdf. Format zu. 

Download Unterschriftenliste Bewerbung Autonomes Tutorium

Am Ende und zur Mitte des Semesters benötigen wir dann noch jeweils einen kurzen Bericht, damit wir die Finanzierung der Tutorien auch in Zukunft bei der Uni rechtfertigen können. 

Anstellung

• Umfang: 2 SWS / 20h im Monat als studentische Hilfskraft (12,26€ pro Stunde ohne Abschluss, 13,29 pro Stunde mit BA etc.) 

• Beschäftigungszeitraum: 4 Monate im Semester 

• Alle weiteren Informationen für Hilfskräfte an der Uni findet ihr hier: Uni Frankfurt 

Unsere Auswahlkriterien 

• Ergänzung und Erweiterung des Lehrangebots des Fachbereichs, Themen, die aus einer anderen Perspektive angeboten oder sonst am Fachbereich gar nicht angeboten werden, auch untypische und kreative Formen der Auseinandersetzung mit Themen; 

• Inhalte, die sich wissenschaftlich mit beispielsweise folgenden Themen beschäftigen (Selbstverständlich sind wir auch offen für andere Themen!): 

o Kritik von Rassismus, Antisemitismus 

o feministische Ansätze, queer theory, Geschlechterforschung 

o Intersektionalität 

o postkoloniale Theorien 

o Nationalismus- und Staatskritik 

o Kritische Theorie 

o Kritik der politischen Ökonomie 

o Kritische Sozialpsychologie 

o Kritische Auseinandersetzungen mit Methodik/Methodologie 

• Dabei soll so ausgewählt werden, dass eine inhaltliche Ausgewogenheit und ein unterschiedliches Angebot entstehen. 

• Wir wünschen uns einen gesellschaftswissenschaftlichen Fokus, dies schließt aber ausdrücklich auch interdisziplinäre Konzepte sowie Vorschläge, die eine Kooperation mit anderen Fachbereichen, politischen Projekten, außeruniversitären Einrichten, Künstler*innen etc. beinhalten mit ein. 

• Konzepte, die in Beziehung zu von der Fachschaft (aktuell) geförderten / unterstützten Projekten stehen, sind begrüßenswert. 

• Interaktives Lernen soll im Vordergrund stehen. 

• Die Interessen der Teilnehmenden sollen im Mittelpunkt stehen, d.h. die inhaltliche Planung des autonomen Tutoriums muss offen sein für Vorschläge und Fragen. 

• Didaktische Vorkenntnisse sind nicht notwendig, aber hilfreich. 

• Eine Literaturliste ist gewünscht 

Menschen und Konzepte, die diskriminierende Inhalte und Gedanken, beispielsweise antisemitischer, rassistischer, faschistischer, nationalistischer, sexistischer, homophober oder transphober, Art vermitteln, werden nicht berücksichtigt

    Das Fachschaftslogo der Fachschaftgesellschaftswissenschaften besteht aus dem Bauplan des PEGs auf dem eine 03 in den antifaschistischen Farben rot und schwarz für unseren Fachbereich verzeichnet ist