Sehr geehrte Mitglieder des Instituts für Soziologie,
sehr geehrtes Dekanat,
liebe Studierende,

im Zuge des Reakkreditierungsprozesses der soziologischen Studiengänge am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Goethe Universität fand am 12.02.15 ein Gespräch zwischen den externen Gutachter*innen und den Studierenden statt. Als Gruppe, der am Gespräch beteiligten Studierenden, möchten wir mit diesem Dokument die inhaltlichen Äußerungen der Studierenden nochmals zusammenfassen und dokumentieren, sowie zu einigen strukturellen Problemen des Verfahrens Stellung nehmen.

1 Intransparente Kommunikation
Wir bemängeln die intransparente Kommunikation im Vorfeld und während des Gesprächs. Während die aktive Fachschaft auf ihrem Blog und ihrer Facebook-Seite Studierende zu dem Gespräch einlud, wurde erst auf Anfrage der aktiven Fachschaft vom Studienfachberater eine Einladung über den studentischen E-Mailverteiler des Instituts für Soziologie gesendet. Alternative Möglichkeiten wie z. B. Aushänge wurden nicht genutzt. Auch wurden trotz Nachfragen einer zum Gespräch angemeldeten Studierenden keine relevanten Dokumente, wie das offizielle Antragsschreiben des Studiendekans oder die Stellungnahmen der Fachschaft, an die angemeldeten Studierenden weitergegeben. Die Studierenden konnten sich daher nur ein vages Bild von dem machen, was in dem Gespräch von ihnen erwartet würde. Auch herrschte bei Gesprächseröffnung bei den anwesenden Gutachter*innen Unklarheit über das Gesprächsformat und den Adressat*innenkreis. Auf der einen Seite wurde im Vorhinein stark betont, dass „representative students“ als Adressaten*innen des Gesprächs gegenüber „students representatives“ präferiert würden. Festzuhalten ist hier, dass die Mehrzahl der anwesenden Studierenden „representative students“ waren, die weder von der aktiven Fachschaft ausgewählt noch gezielt angesprochen worden waren. Andererseits wurden diese Studierende als sie bei der Vorstellungsrunde das Interesse äußerten „zunächst zuhören zu wollen“, von den Gutachter*innen zurechtgewiesen – ein passives Beiwohnen am Gespräch ohne inhaltlichen Input sei nicht gewünscht, da man sich nicht in einer „öffentlichen“ Veranstaltung befinde.

2 Formale und tatsächliche Wahlfreiheiten im Studienalltag
Während in der Stellungnahme der aktiven Fachschaft der formale Erhalt eines großen Spielraumes an Wahlmöglichkeiten innerhalb von Modulen bei weitgehender Aufrechterhaltung der niedrigen Anzahl der Pflichtveranstaltungen innerhalb der neuen soziologischen Prüfungsordnungen als frankfurttypisches Charakteristikum begrüßt wurde, wurde anhand der im Gespräch genannten Beispiele (s.u.) deutlich, dass eine Umsetzung, der auf dem Papier existenten Wahlfreiheit in die Praxis, kaum möglich ist.

2.1 Schieflage zwischen der Anzahl der Lehrangebote und ihrer Lehrqualität
Sowohl im Bachelor als auch im Master Soziologie wurden die Studienbedingungen und die Lehrqualität kritisiert. Es besteht eine Schieflage zwischen Lehrangebot und studentischer Nachfrage. Während in den Bereichen der Sozialpsychologie und der Kritischen Theorie zu wenige Seminare angeboten werden, als dass die formale Wahlfreiheit auf Papier in der Realität aufrechterhalten werden kann, wurde die formal deklarierte Wahlfreiheit darüber hinaus auch strukturell begrenzt, indem die Bereiche der Politischen Soziologie und der Stadtsoziologie in den neuen Curricula weitgehend marginalisiert bzw. teilweise ganz gestrichen wurden.
Zusätzlich wurde die Qualität der Methodenveranstaltungen im Bachelor und Master Soziologie kritisiert. Es besteht eine Unausgewogenheit zwischen der hohen Zahl der Angebote an grundlegenden Methodenveranstaltungen im Bachelor und dem Unterangebot an Empiriepraktika im Masterstudium, in welchen sich die Vielfalt der Spezialisierungsmöglichkeiten gerade widerspiegeln sollte. Exemplarisch wurde die Veranstaltung „Einführung in die Methoden der empirischen Sozialforschung“ hervorgehoben. Im SoSe 2014 ereignete es sich, dass sich bis zu 300 Studierende für eine Veranstaltung der genannten Art anmeldeten. Trotz der Größe und des studentischen Andrangs in der Veranstaltung konnte diese nur durch eine Tutor*innenstelle unterstützt werden. Die Folge dieses Mangels an tutorialer Begleitung ist, dass es den Studierenden ungemein erschwert bis verunmöglicht wird, sich in den Seminaren kritisch und inhaltlich intensiv mit den Methoden der Sozialforschung auseinanderzusetzen. Obwohl ein praktischer Anteil aus studentischer Perspektive explizit erwünscht und aus didaktischer Sicht für allgemein sinnvoll erachtet wird, kommt es im SoSe 2015 erneut dazu, dass die angeführte Veranstaltung gänzlich ohne tutoriale Begleitung stattfinden müssen. Die Studienqualität im Bachelor Soziologie wird durch diese Lehrplanung – einerseits Großveranstaltungen in die Einführung in die Methoden anzubieten, diese aber andererseits nicht grundsätzlich mit einer angemessenen Anzahl von Unterstützungstutorien begleiten zu lassen – erheblich beeinträchtigt.

2.2 Fehlende Zeit für extracurriculare Programme oder ehrenamtliches Engagement und zu hohe Arbeitsbelastung im Propädeutikum
Die Arbeitsbelastung innerhalb des Studiums wurde als zu hoch wahrgenommen, um neben dem Studium noch Zeit für ehrenamtliches Engagement oder die Nutzung der extracurricularen Angebote innerhalb der Universität zu haben. Insbesondere wurde die zu hohe semesterbegleitende Arbeitsbelastung für das parallele Studium der Propädeutika in Soziologie und Politikwissenschaften kritisiert (fünf Take-home-exams in der Soziologie und eine Klausur in der Politikwissenschaft zuzüglich zweier Exposés, die auf empirisch-analytische Arbeiten beschränkt sind). Zudem wurde darauf verwiesen, dass im Bachelor Soziologie nur ein Propädeutikum pro Wintersemester angeboten wird, was zu vielen individuellen Problemen führt. Der Umstand, dass es nur eine Einführung in die Soziologie (mit ca. 600 Teilnehmern) als multiparadigmatisches Fach gibt, widerspricht den propagierten Wahlfreiheiten innerhalb des Soziologiestudiums und steht für die Standardisierung von universitärer Lehre. Das Ideal der Freiheit von Lehre und die Diversität des Faches der Soziologie werden dadurch ad absurdum geführt. Diese immer stärker werdenden Eingriffe in die Lehre im Zuge des proklamierten Standarisierungszwanges wurden nachdrücklich kritisiert.

3 Unterbesetzung der Beratungsstellen und Praxisnähe der soziologischen Studiengänge
Es wurden mehr Beratungsangebote für die Studierenden gefordert. Die Sprechstunden der Studienberatung oder Erasmusberatung sind häufig überlaufen und erst nach langen Wartezeiten zugänglich. Die Vorbereitung auf den Beruf innerhalb der soziologischen Studiengänge wurde weitgehend positiv eingeschätzt. Es wurde betont, dass ein offenes und wenig formalisiertes Soziologiestudium es grundlegend am besten ermöglicht, sich als Soziologe*in in ein beliebiges Berufsfeld einfügen zu können. Dennoch wurde darauf verwiesen, dass die Qualität im fakultativen Praktikumsmodul im Bachelor mangelhaft sei, weshalb weder die Sinnhaftigkeit und Relevanz des dadurch hergestellten Praxisbezuges klar seien, noch das Potential zur praxisnahen Spezialisierung erkannt werden könne.

Ausblick:
Diese Punkte wurden innerhalb des Gespräches genannt und sollten somit auch von der Reakkreditierungskommission formal berücksichtigt werden. Rückblickend wurde die zeitliche Beschränkung des Gespräches auf eine Stunde als sehr problematisch wahrgenommen. Durch den Zeitdruck war es nicht möglich, alle inhaltlichen Punkte exemplarisch zu verdeutlichen, was aber dringend notwendig gewesen wäre. Für zukünftige Gespräche bei der Begehung zur Reakkreditierungen fordern wir deshalb einerseits die Maximaldauer des Gespräches zwischen den externen Gutachter*innen und Studierenden auf zwei Stunden anzusetzen und andererseits eine frühzeitige, transparente Kommunikation der inhaltlich relevanten Dokumente sowie Informationen über das Gesprächsformat. Des Weiteren möchten die Studierenden von Seiten des Dekanats im weiteren Verlauf der Reakkreditierung frühzeitig mit einbezogen werden, indem Einblick in das Gutachten der externen Gutachter*innen ermöglicht wird und indem Informationen zu geplanten Sitzungen zu diesem Thema kommuniziert werden. Ebenso erhoffen sich die am Gespräch zur Begehung beteiligten Studierenden die Zusendung des sich momentan in Erstellung befindlichen Gutachtens ohne gesonderte Nachfrage.

Im Namen der Fachschaft 03, sowie der am Gespräch beteiligten Student*innen

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