Tutorium 1: Gegen den modernen Fußball oder Fußball gegen die Moderne? Über das Verhältnis von Fußball, Politik und Gesellschaft
„Gegen den Modernen Fußball“, kaum eine Parole erweist sich im sog. „Volkssport“ als Anschlussfähiger. Fans aller Couleur, ob links, rechts oder vermeintlich unpolitisch, ob Erstliga- Ultrà oder Kreisliga-Senior:in, alle können sich darauf einigen, dass damals alles besser gewesen sein muss. Doch hakt man dann mal genauer nach, was denn diesen modernen Fußball ausmacht, kommen die Meisten schnell ins Straucheln. Irgendwas mit Kommerzialisierung, Retortenclubs und Entfremdung auf jeden Fall. Gemeinsam wollen wir uns deswegen auf die Suche begeben und versuchen diese Frage zu beantworten. Diskutiert werden sollen die Entwicklung des Fußballs als Massenspektakel und seinem gegenwärtigen Zustand vor dem Hintergrund einer warenproduzierenden Gesellschaft. Weiterführend interessiert hier aber auch das Verhältnis von Fußball und Ideologie. Warum stellt Fußball bis heute die „letzte Bastion der Heteros“ (Feuerherdt 2015) dar und wie spiegeln sich Sexismus, Antisemitismus und Rassismus in der gegenwärtigen Fankultur wieder? Und gibt es überhaupt einen richtigen Fußball im Falschen? Ausgehend von unserer Kritik an den gegenwärtigen Zuständen, wollen wir im Anschluss darüber ins Gespräch kommen, wie ein gerechter Fußball dies- und jenseits der gegeben gesellschaftlichen Verhältnisse aussehen könnte und wie uns die politische Theorie hierbei behilflich sein kann. Das autonome Tutorium richtet sich nicht nur an Freund*innen des Fußballs, sondern ebenso sehr an seine Kritiker*innen. Um das Seminar interaktiver zu gestalten sind Vorschläge und Ergänzungen der Teilnehmer*innen ausdrücklich erwünscht.
Jasper Küster (Anmeldung: jasper.kuester@stud.uni-frankfurt.de)
Donnerstag 10-12 Uhr NM 111 (Bockenheim Campus)
Tutorium 2: Klimawandel, Kapitalismus & Klassenkampf: Gesellschaftliche Naturverhältnisse und Ökologie in der marxschen Kritik der politischen Ökonomie
Für ein Verständnis der fortschreitenden Umweltzerstörung und der Klimakrise sowie ihrer Ursachen und Folgen ist eine Untersuchung der Destruktivität der kapitalistischen Produktionsweise elementar. Die marxistische Analyse bildet dabei eine wichtige Grundlage für eine scharfe Kritik der zeitgenössischen ökologischen Missstände. Das autonome Tutorium beschäftigt sich deswegen in mit der Rolle gesellschaftlicher Naturverhältnisse in der marxschen Kritik der politischen Ökonomie.
Gemeinsam wollen wir uns dabei erarbeiten, welche Rolle ökologische Überlegungen für Marx in seiner Kritik der kapitalistischen Produktion spielen und wie er das Mensch-Natur-Verhältnis gesellschaftlich bestimmt. Wir schauen uns an, wie die kapitalistische Eigentumsordnung, Warenproduktion und Kapitalakkumulation mit ökologischen und sozialen Krisen zusammenhängen und welche Implikationen eine verstärkt ökologische Perspektive wiederrum für Klassen- und Eigentumsverhältnisse hat. Außerdem werfen wir einen Blick auf die marxistische Staatstheorie und verschiedene Imperialismustheorien, die uns zu einem ganzheitlichen Blick auf globale (post)koloniale Ausbeutungsverhältnisse und internationalen Widerstand verhelfen.
Die marxistische Analyse bildet schließlich die Grundlage für konkretes strategisches Handeln: Sie gibt uns ein Verständnis davon, wie Veränderung möglich ist und wie eine entsprechende politische Praxis aussehen kann. Zuletzt wollen wir uns deswegen Perspektiven ökosozialisti- schen Wandels widmen und verschiedenen Strategien der Klimagerechtigkeitsbewegung kritisch diskutieren.
Johanna Fankel & Gloria Leo (Anmeldung: johanna.fankel@t-online.de)
Montag 16-18 Uhr SH 4.107
Tutorium 3: Hacking Gender – widerständige Praxen zwischen Technik, Spiel, Individuum und Gesellschaft
Hacking ist etwas das zuerst den Gedanken an Computer und Programmierungen aufwirft und doch sprechen viele queere Theoretiker*innen immer wieder vom Gender Hacking. – Wird das eigene Geschlecht gehackt, oder werden gesellschaftliche Normvorstellungen gehackt? – Was heißt eigentlich Hacking im technischen Sinn, welche Praxen stehen dahinter und lassen sie sich übertragen, verkörpern?
Wir wollen uns zusammen über unterschiedliche Zugänge der Frage annähern, inwiefern Gender Hacking eine widerständige Praxis ist oder sein könnte. Dazu lesen wir Theorie (z.B. Hester, Preciado, Haraway) und Auszüge aus Romanen, schauen Filme (Neptune Frost) und Vorträge, und tauschen uns aus.
Das Tutorium wird ein Mal im Monat 4-stündig stattfinden, da wir uns gerne Zeit nehmen möchten uns gemeinsam mit den Materialien auseinanderzusetzen. Um unsere Gedanken festzuhalten, aber auch um sie anderen zur Verfügung zu stellen, wollen wir außerdem am Ende des Semesters gemeinsam an einem Abschlusswochenende ein Zine erstellen.
Jose Schuhmann und Sando Eismann (Anmeldung: genderhacking@riseup.net )
Planungstermin: 26.10. 12 Uhr /Treffpunkt : Vor dem Studihaus./ Das Tutorium findet in
Tutorium 4: Die Antisemitismusanalyse Horkheimers und Adornos
Über 75 Jahre nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland ist der Antisemitismus so verbreitet wie eh und je: so stimmen rund 30% der Deutschen zumindest teilweise der Aussage zu, der Einfluss der Jüdinnen und Juden sei noch immer zu groß (Decker et al. 2022: 42). Angesichts solcher Zahlen ruft die offizielle Politik immer wieder dazu auf, dem Antisemitismus „entschieden entgegenzutreten“. Das ist jedoch leichter gesagt als getan, weil sich der Antisemitismus eben nicht von Argumenten beeindrucken lässt. Leute, die so sprechen, offenbaren neben grundsätzlich guten Absichten also vor allem eins: dass sie den Antisemitismus nicht verstanden haben. Ziel müsste darum zunächst einmal sein, den Antisemitismus zu begreifen.
Die Leitfrage unseres Tutoriums lautet daher: Welche Ursprünge und Funktionen hat der Antisemitismus? Antworten darauf suchen wir in Texten von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno. Zumindest Horkheimer scheint seine ursprüngliche Antisemitismusanalyse aber aktualisiert zu haben. Unsere zweite Frage lautet daher: Wie hat sich die Antisemitismusanalyse Horkheimers und Adornos im Lauf der Zeit entwickelt? Geplant sind darum drei Schritte: zunächst lesen wir eine Frühschrift Horkheimers, Die Juden und Europa, anschließend beschäftigen wir uns intensiv mit den gemeinsam von Horkheimer und Adorno verfassten Elementen des Antisemitismus, und zum Schluss lesen wir eine Spätschrift Adornos, Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute.
Herzlich eingeladen sind sowohl Studierende ohne Vorkenntnisse in der Kritischen Theorie, als auch Studierende, die sich trotz ihrer Vorkenntnisse noch einmal intensiv mit der Antisemitismusanalyse Horkheimers und Adornos beschäftigen wollen.
Parisad Mousaviani und László Boroffka (Anmeldung: laszloboroffka@t-online )
Erste Sitzung am 18.10.23 /18 Uhr mit Klärung für weitere Termine SH 5.107
Tutorium 5: Mutterschaft aus psychoanalytisch-sozialpsychologischer Perspektive: Widersprüche und Ambivalenzen weiblicher Subjektkonstitution
Was passiert eigentlich, wenn Frauen* Mütter werden? Eine psychoanalytisch informierte subjekttheoretische Antwort darauf ist wohl: Ambivalenz, Widerspruch, Konflikt. Doch was bedeutet das? Dieser Frage wollen wir uns im Autonomen Tutorium zu Mutterschaft aus psychoanalytisch- sozialpsychologischer Perspektive widmen. Einerseits nähern wir uns dem Themenkomplex in der Theorie und schauen uns feministisch-sozialpsychologische Texte zur Verhältnisbestimmung von Subjektkonstitution und Mutterschaft an. Andererseits wollen wir Konflikt- und Ambivalenzkonstellationen in der Mutterschaft empirisch erforschen, indem wir uns gemeinsam an eine tiefenhermeneutische Auswertung von Interviews mit Müttern wagen, die im Rahmen meines Masterarbeitsprojekts entstanden sind. Anhand der Interviews wollen wir Widersprüche und Ambivalenzen verschiedener Selbstanteile und gesellschaftlicher Anforderungen ausmachen und den Umgang der Subjekte untersuchen. Das AT richtet sich an Studierende, die an der Verknüpfung von feministischer Elternschaftsforschung und kritischer Sozialpsychologie interessiert sind und außerdem Lust haben, die Tiefenhermeneutik als Methode praktisch kennenzulernen oder zu vertiefen. Ihr braucht dafür keinerlei Vorkenntnisse: Für die gemeinsame tiefenhermeneutische Auswertung werde ich eine Einführung durch eine externe Person organisieren.
Laura Baade (Anmeldung s6284834@stud.uni-frankfurt.de )
Montag 16 Uhr, SP 0.02 (Seminarpavillon), Start am 23.10. Menschen die an diesem Termin verhindert sind, gerne per Mail melden
Tutorium 6: Kritische Theorie der Psyche: freudianische Gesellschaftskritik
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verfiel die marxistische Theoriebildung in eine Krise. Im Westen blieb die erwartete kommunistische Revolution aus bzw. wurde gewalttätig niedergeschlagen und die unerwartete bolschewistische Revolution bildete früh ein Regime mit autoriären Zügen aus. Um diese Phänomene verstehen zu können begann das Institut für Sozialforschung unter Max Horkheimer in den 1930er Jahren die Ursachen dieser Entwicklung zu untersuchen. Hierfür bedurfte es nach Horkheimers Ansicht einer Ergänzung der marxschen Kapitalismuskritik mit der freudianischen Psychoanalyse. Die Untersuchung der psychischen Verarbeitung gesellschaftlicher Phänomene ist ein zentraler Schlüssel zum Gesellschaftsverständnis der Kritischen Theorie. Auch heute muss die psychische Verarbeitung der Gesellschaft durch die Individuen berücksichtigt werden, wenn man sich die Frage stellt, warum Menschen sich eher das Ende der Welt als das Ende des Kapitalismus vorstellen können, trotz der nahenden Klimakrise.
Die Psychoanalyse wird ungeachtet ihrer zentralen Funktion in der Kritischen Theorie und darauf aufbauender Forschungen an der Goethe-Universität kaum gelehrt und aus dem aka- demischen Betrieb verdrängt. Im Autonomen Tutorium soll dieser Verdrängung entgegen ge- wirkt werden, indem die Erkenntnispotenziale der Psychoanalyse in drei Blöcken diskutiert werden. Hierfür werden wir uns 1.) mit Freud und dessen Theorie der Psyche und Gesellschaft auseinandersetzen, 2.) die zentralen Kritiken und produktiven Anschlüsse an Freud in der ersten Generation der Kritischen Theorie nachvollziehen um 3.) aktuelle Gesellschaftsanalysen und das Erkenntnispotenzial psychoanalytischer Untersuchungen heute zu reflektieren.
Marc Blüml (Anmeldung: marc.blueml@stud.uni-frankfurt.de )
Montag 18-20 Uhr SH 2.105
Tutorium 7: Kritiken der Menschenrechte
Menschenrechte sind in aller Munde und werden von den meisten Staaten der Welt anerkannt. Anhand aktueller Beispiele zeigt sich jedoch, dass Verletzungen dieser nicht ausbleiben und häufig durch das Argument, dass sie die kulturellen Unterschiede von Gesellschaften nicht berücksichtigen würden, eine Relativierung erfahren. Mit meinem autonomen Tutorium möchte ich der Frage nachgehen, ob den Menschenrechten ein universaler Geltungsanspruch zugeschrieben werden kann. Dafür werden wir zunächst den Begriff sowie den Ursprung und die Entwicklung der Menschenrechte nachvollziehen. Im Zentrum der Veranstaltung sollen aber besonders die Kritiken an der aktuellen Menschenrechtskonzeption stehen. Ziel des Seminars soll es dabei sein, das Thema der Menschenrechte kritisch und interdisziplinär zu bearbeiten. Neben politikwissenschaftlichen, philosophischen und juristischen Herangehensweisen würde ich mich freuen, wenn auch Studierende anderer Disziplin unsere Diskussion bereichern. Nach Möglichkeit möchte ich die Veranstaltung auch gerne dazu nutzen, Lehrende der Goethe-Universität, die im Bereich der Menschenrechte forschen, zu integrieren.
Nicolas Alexander Brinkmann (Anmeldung: nicolas.brikmann@aol.com)
Zweiwöchentlich jeweils 3h : Dienstag 10:30 NM 120 (Bockenheim Campus)
Tutorium 8: Multidirektionale Kritik von queeren Kritiken und reproduktiver Heteronormativität
Wie kann eine multidirektionale, anti-imperialistische und anti-rassistische Kritik innerhalb queerer Politiken aussehen, welche auch Kritik an der reproduktiven Heteronormativität in postkolonialen Kontexten begleitet wird?
Die Politikwissenschaftlerin Nikita Dhawan (welche bis zur Auflösung des „Frankfurter Center für Postkoloniale Studien“ 2014 an der Universität Frankfurt forschte) spricht sich in Ihrem 20156 erschienen Aufsatz Homonationalismus und Staatsphobie: Queering Dekolonisierungspolitiken, Queer-Politiken dekolonisieren dezidiert für eine solche Kritik aus.
Doch wie kann eine multidirektionale Kritik konkret aussehen, welche die Reproduktion von gewaltvollen, neo-kolonialen Machtverhältnissen in queeren Politiken kritisiert und gleichzeitig auch gegenüber „reproduktiver Heteronormativität“ in verschiedenen Kontexten kritisch bleibt? Dieser Frage wollen wir in diesem Seminar nachforschen. Dabei möchten wir unsere eigenen Erfahrungen mit theoretischen Arbeiten kontextualisieren und möchten vor allem Studierende ansprechen, welche aus verschiedenen „Gründen“ und besonders an und in Institutionen wie der Universität implizit oder direkt „de-normalisiert“ werden: sei es aufgrund Ihres vermeintlichen Migrationsstatus, Ihres Aussehens (Kleidung, Kopftuch, Körperform etc.), Ihrer Geschlechtsidentität, Ihres Alters/Semesteranzahl uvm. Die Veranstaltung ist jedoch offen für alle Studis, welche offen für einen kritischen Umgang mit den Themen sind. Ein Teil der Literatur ist bisher leider nur auf Englisch erschienen – die Tutoriumssprache würde jedoch auf Deutsch sein und wir würden die Inhalte nochmal zusammen rekapitulieren bzw. es würden notfalls auch eigene Übersetzungen zur Verfügung gestellt.
Sofian Meziani & Amal Ahmedahir Mahdi (Anmeldung: multidirek_kritik@tutanota.com) OLAT Kurs: https://olat-ce.server.uni-frankfurt.de/olat/auth/RepositoryEntry/19179569154/CourseNode/93668888136022?5
Freitag 16- 18 Uhr c.t. SH 1.106