Trotz weiterhin unsicherer Finanzierung freuen wir uns in diesem Semester vorerst fünf Autonome Tutorien anbieten zu können. Am Fachbereich 03 starten ab nächster Woche folgende Tutorien:
„Maschine und Gesellschaft“
„Musik und Mythos: Einführung in die Musiksoziologie“
„Über das Verhältnis von Hitler und Kapital. Analysen zu Ökonomie und Politik des Nationalsozialismus aus dem Institut für Sozialforschung“
„Verletzlichkeit und Arbeit: Zum Verhältnis von Care-Ethiken und Care-Politiken“
„Vielfalt statt Einfalt – Lösungsansätze für ein erfolgreiches interkulturelles Zusammenleben“
Außerdem mitbewerben möchten wir ein Angebot zum Thema „Was ist revolutionärer Marxismus?“
Leider ist die Finanzierung der Tutorien für dieses und das kommende Semester bisher immernoch nicht gesichert. Umso mehr möchten wir euch an dieser Stelle für die zahlreichen Bewerbungen, wie auch insbesondere den Tutor*innen die trotz der unsicheren Situation (zumindest vorerst) starten wollen! An dieser Stelle möchten wir uns auch für die zahlreichen Bewerbungen bedanken!
Diese unsichere Situation sollte euch aber nicht davon abhalten die Tutorien zu besuchen, denn Studentische Kultur lebt auch von allen, die an ihr teilhaben. Kommt also zahlreich und helft so mit Autonome Tutorien in Frankfurt, als eine der letzten Unis an denen es so etwas noch gibt, lebendig zu halten. Denn die Tutorien leben nicht zuletzt von eurer Teilnahme.
Da es sein kann, dass sich die Termine und Orte der Tutorien nach den ersten Treffen noch ändern, achtet bitte auf aktuelle Änderungen. Wir als Fachschaft werden uns bemühen die Termine der Tutorien möglichst auf dem Laufenden zu halten. Im Zweifel wendet euch an die Tutor*innen per Mail.
Neben den sechs Angeboten am Fachbereich 03 gibt es natürlich an einigen weiteren Fachbereichen Autonome Tutorien, deren Besuch euch offen steht. Haltet also Ausschau nach dem Alternativen Vorlesungsverzeichnis, dass die Tage erscheinen wird. Wir werden euch dann auch hier informieren.
Mehr über die Autonomen Tutorien und ihre Inhalte werdet ihr auch bei unserem Semesterstart-Happening am Donnerstag im PEG-Foyer erfahren können.
Maschine und Gesellschaft
Die Maschine war einst, eher noch als apparatus verstanden, alles andere als eine körperlich und funktional abgeschlossene Einheit mit einer zielgerichteten spezifischen Zweckmäßigkeit. Vielmehr wurde sie als undurchschaubares und komplexes Geflecht von Möglichkeiten konzeptualisiert, dass sich jeder technischen Beurteilung entzog. Die mechanische Definition, zunächst ihren Wandel zum Werkzeug, erfährt sie historisch dort, wo der Hammer aufhört die Verlängerung des arbeitenden Leibes zu sein. Seine einstige Undurchschaubarkeit, vor dem Niedergang feudaler Strukturen häufig als Quelle von Täuschung und Betrug verstanden, weicht dem technischen Apparat als kalkulierbares Arbeitsmittel. Am Ende ihres Entwicklungsprozesses wird die technische Maschine im Gegensatz zum bloßen Werkzeug auch kein Arbeitsmittel mehr sein. In ihr sind objektiviertes Wissen und Geschick Unzähliger eingeschlossen, ein ganzes gesellschaftliches Verhältnis materialisiert sich unter ihren Schrauben, was den zerstreuten Arbeiter*innen, welche sie bedienen und umgeben, als beherrschende und zentrale Macht gegenübertritt. Doch gleichfalls ist genau hier nach einem möglichen Moment der Befreiung zu suchen. Die ambivalente historische Entwicklung des technisch vermittelten Kapitalismus wird nirgendwo offensichtlicher als in Marxens Betrachtungen über Maschinerie, Technik und Industrie: Auf der einen Seite will das Kapital in einer vollständig wissensbasierten Produktion die lebendige Arbeit auf ein notwendiges Minium reduzieren, gar loswerden, andererseits kann ohne sie kein Mehrwert zustande kommen – die Arbeit „wird im Zurückstoßen festgehalten“ (Christian Lotz). Der Tendenz nach scheint die technische Entwicklung des Kapitalismus die Mittel zu seiner eigenen Aufhebung kontinuierlich mitzuproduzieren, während bei Steigerung der Produktivität zeitgleich Lohnkürzungen, Arbeitszeitverlängerungen und Prekarisierung zur Tagesordnung gehören. Dennoch wird mancherorts schon von einem „Kommunismus des Kapitals“ (Antonio Negri) gesprochen, während andere darin nur eine Fetischisierung von Technologie (Alain Badiou) zu erkennen meinen.
An zentralen Textstellen bei Marx wollen wir versuchen uns gemeinsam mit dem Maschinenbegriff ein genaueres Bild über die emanzipativen Potentiale kapitalistisch-technischer Entwicklung zumachen und über bloße ’negativ anti-antikapitalistische‘ Analysen und Betrachtungen hinaus zu gehen – wäre eine im weitesten Sinne emanzipative Tendenz nicht im Gegenwärtigen enthalten, müssten wir ohnehin alle Hoffnung auf eine andere Gesellschaft aufgeben. Nach einer detaillierten Lektüre der ausgewählten Marxschen Texte wollen wir über einige Zwischenetappen hinweg letztlich kritisch den Anschluss an (Post-)Operaistische Diskurse suchen und die ambivalenten Potenziale technischer Entwicklung an aktuellen arbeitssoziologischen Debatten überprüfen.
Kontakt: Julian, hauptsache.ist(at)web.de
Erstes Treffen: Mittwoch, 22.04.15, 14 Uhr c.t. im Café Aufhebung (Fachschaftenraum, PEG 1.207)
Musik und Mythos: Einführung in die Musiksoziologie
Die Musik als Gegenstand der soziologischen Analyse bietet zahlreiche Möglichkeiten, das Verhältnis von Kunst und Gesellschaft zu beleuchten. Meine persönliche Idee wäre, sich zuerst einer phänomenologischen Charakteristik von Musik zu widmen, um davon ausgehend zu fragen, welche symbolischen Formen sie verwendet (und insofern auch Gegenstand einer Sprachsoziologie im weitesten Sinne ist), welche gesellschaftlichen Funktionen sie erfüllt (also eine Betrachtung des Verhältnisses von Kunstsphäre und Gesellschaft) und welche Aufschlüsse sich über eine Gesellschaft durch die Auseinandersetzung mit ihrer Musik ergeben können. Die Grenzen zwischen den Disziplinen Musiksoziologie, Musikphilosophie, Musikästhetik und Musikpsychologie wollen wir dabei nicht allzu ernst nehmen und uns unvoreingenommen und je nach Interesse dem Gegenstand widmen.
Meine persönliche Leitfrage wäre dabei das Verhältnis zwischen Musik und Mythos: Claude Lévi-Strauss etwa behauptet deren strukturelle Verwandtschaft und Georg Picht versteht die primären Erfahrungsbereiche von Mythos und Musik als identisch. Wenn das zutrifft, dann muss das Studium der Musik einer Gesellschaft auch zu Annahmen über die Aktualität mythischen Denkens in ihr führen können.
Das Tutorium soll aber für vielfältige Anregungen und auch gänzlich andere Fragen der Teilnehmenden offen sein und eine Grundlage schaffen für die weitere Vertiefung in die Musik als soziologischen Gegenstand. In der ersten Sitzung soll deshalb gemeinsam ein Plan und die dazugehörige Literatur sowie ein wöchentlicher Termin erarbeitet werden.
Kontakt: Niklas, atmusiksoz(at)nurfuerspam.de
Erstes Treffen: Montag, 20.04.15, 16 Uhr c.t. im Café Aufhebung (Fachschaftenraum, PEG 1.207)
Über das Verhältnis von Hitler und Kapital. Analysen zu Ökonomie und Politik des Nationalsozialismus aus dem Institut für Sozialforschung.
„Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen.“
Dieser gern zitierte Satz ist zum Allgemeinplatz geworden, doch oft ohne Bewusstsein von dessen begrifflichen Kontext. Die Debatte innerhalb des Institut für Sozialforschung über die richtige begriffliche Fassung der polit-ökonomische Struktur des Nationalsozialismus, innerhalb der Horkheimer obigen Satz äußerte, ist trotz ihrer Bedeutung, sowohl für die Analyse des NS als auch als Grundlage für spätere theoretische Arbeiten, wenig präsent. Im Rahmen des Tutoriums wollen wir die Bemühungen von Max Horkheimer, Friedrich Pollock, A. R. L. Gurland, Otto Kirchheimer und Herbert Marcuse zur Klärung des Verhältnisses von Hitler und dem Kapital nachzeichnen.
Kontakt: Frederik und Patrick, At_huk(at)web.de
Erstes Treffen: Mittwoch, 22.04.15, 12 Uhr c.t. im Café KoZ (Studierendenhaus, Campus Bockenheim)
Verletzlichkeit und Arbeit: Zum Verhältnis von Care-Ethiken und Care-Politiken
Wir (die feministischen Philosoph_innen) möchten uns in unserem Tutorium mit der in der autonomen Linken gerade stattfindenden Debatte um Care, „Repro“ und Prekarität befassen und dabei unsere gemeinsame Beschäftigung mit philosophischen Bezügen auf Verletzlichkeit weiterführen. Im Zentrum steht dabei die Frage, in welchem Verhältnis feministische Ansätze, die Verletzlichkeit als Grundlage einer Care-Ethik nehmen, zu feministischen Politiken stehen, die Fürsorge vor allem über den Begriff der Care-Arbeit denken.
Für eine politische und queer_feministische Auseinandersetzung mit Verletzlichkeit und Care soll Butlers Auseinandersetzung mit einem ontologischen Begriff von Prekarität und Verletzlichkeit als Ausgangspunkt dienen (bspw. in „Frames of War“). Diesen und anderen akademischen Bezügen möchten wir Veröffentlichungen aus der aktuellen Care-debatte in der deutschen Linken zur Seite und gegenüber stellen: Welche Begriffe und Konzepte werden etwa in den die Veröffentlichungen des autonomen Kollektivs kitchen politics aus Berlin zentral? Wie findet dabei eine Verknüpfung materialistischer und queer_feministischer Annahmen statt? Im Anschluss an Debatten auf dem Care Kongress Berlin 2014 fragen wir uns auch, welche Probleme eine Politisierung über den Arbeitsbegriff bergen kann und ob bestimmte Perspektiven und Lebensrealitäten eventuell anderer Artikulation bedürfen. Angesichts der vielen ethischen Schlussfolgerungen feministischer Theoriebildung (älterer Entwürfe, die sich explizit als Ethik begreifen, wie Eva Feder Kittay oder Joan Tronto, aber auch jüngerer Ansätze von Butler, Haraway und manchen Veröffentlichungen des sog. new materialism, etc.), wird es uns auch darum gehen, das Verhältnis zwischen Ethischem und Politischen für Theorie und Praxis grundsätzlich zu reflektieren und problematisieren.
Literatur für das Seminar werden u.a. Auszüge aus Butlers Frames of War, aus Silvia Federicis „Aufstand aus der Küche“, aus den Veröffentlichungen des Frankfurter Care-AKs und dem Berliner Kollektiv kitchen politics sein. Den genauen Plan und die Literatur werden wir festlegen, wenn sich alle Teilnehmer_innen zusammengefunden und besprochen haben.
Kontakt: Feministische Philosoph_innen, femphil(at)riseup.net
Erstes Treffen: Donnerstag, 23.04., 18 Uhr c.t. im Feministischen Salon – Frauen*raum (PEG 2.G 215)
Vielfalt statt Einfalt – Lösungsansätze für ein erfolgreiches interkulturelles Zusammenleben
Die Thematik „Vielfalt statt Einfalt – Lösungsansätze für ein erfolgreiches interkulturelles Zusammenleben“ ist und wird immer aktuell und tagespolitisch bleiben. Allgegenwärtig wird man medial oder in den Printmedien mit der Frage um Migration, Flüchtlinge und Asyl konfrontiert.
Auf der einen Seite sollen Themen diskutiert werden: Wo liegt der Unterschied zwischen „Migrant“, „Asylbewerber“ und „Flüchtling“? Überall werden diese Begriffe scheinbar wahllos verwendet.
Auf der anderen Seite soll zum Nachdenken angeregt werden, indem Themen wie „Globalisierung“, „Moderne und Tradition“ angesprochen werden. Elisio Macamo und Dieter Neubert geben dazu eine gelungene Einführung. Auch die Rolle der Frau spielt hier eine wichtige Rolle, wie bspw. Barbara Ehrenreich in ihrem Aufsatz „Die weibliche Seite der Globalisierung“ (2007) schildert. Der Film „Hotel Sahara“ erklärt aufschlussreich die Träume und Hoffnungen von Migranten, die den Traum von Europa träumen. Ein in den Medien immer als „Problem“ dargestelltes Thema.
Statt die Wellen an Migration als Problem darzustellen, sollten wir Lösungsansätze kreieren. Man sollte immer nach dem „Warum“ und der Motivation des Individuums nach Migration fragen. Zudem auch viel öfter die Migranten befragen, statt immer nur „über“ sie zu sprechen. In diesem Tutorium soll nicht nur die Makroebene, die oftmals von den Medien beleuchtet wird, betrachtet werden, sondern viel eher die Mikroebene, um verständlich zu machen, weshalb jeder einen Platz in der Gesellschaft hat und auch braucht. Vorurteile sollen aufgeklärt werden.
Kontakt: Teresa, te.walter(at)t-online.de
Erstes Treffen: Mittwoch, 22.04.15, 16 Uhr c.t. im Café Aufhebung (Fachschaftenraum, PEG 1.207)
Was ist revolutionärer Marxismus?
„Die Tradition aller toten Geschlechter lastet wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden“ (Karl Marx)
Der Marxismus nach dem Tod von Marx und Engels erfährt mit dem rasanten Wachstum der Arbeiterbewegung und der Entstehung der zweiten Internationale den Charakter einer politischen Massenbewegung, die sich in alle Teile der Welt verbreitet. Wir möchten im ersten Teil des Seminars genauer betrachten, worin der berühmt-berüchtigte Marxismus der Arbeiterbewegung bestanden hat und welche Krise ihn vor dem Beginn des Ersten Weltkrieges erfasst hat und große Teile der Arbeiterbewegung in diesen stürzte. Der Kampf gegen diese “Krise des Marxismus” hat mit der Oktoberrevolution und der deutschen Arbeiterrevolution von 1918-19 einen welthistorischen Maßstab erreicht, der die Hoffnungen und Katastrophen des zwanzigsten Jahrhunderts vorbereitete. Was war das Ziel der 1917 eingeleiteten internationalen Revolution und wie ist diese gescheitert? Welche politischen und ideologischen Konsequenzen hat dieses Scheitern und wie hängt es mit den verhängnisvollen Entwicklungen der 30er und 40er Jahre zusammen?
Um diese Fragen näher zu beleuchten, werden wir uns in der zweiten Hälfte des Semesters mit den Reflexionen dieser Entwicklungen beschäftigen, wie sie von zentralen Figuren der Frankfurter Schule entwickelt wurden. Mit Lukács, Benjamin, Horkheimer und Adorno werden wir die Spannung, Kontinuität und Differenz zu den Vertretern der klassischen Periode des Marxismus entwickeln und uns somit ein bedeutendes Instrumentarium zum Verständnis der gegenwärtigen Welt anzueignen suchen. Das problematische Verhältnis von Theorie und Praxis im Marxismus und seiner Entwicklung hat die Welt des zwanzigsten Jahrhunderts entscheidend geprägt und hinterlässt ihre Narben bis in die Gegenwart. Mit der Erforschung dieses Verhältnisses möchten wir Aufschluss darüber erhalten, wie die Vergangenheit unsere eigene Imagination der Zukunft in Bann hält.
Kontakt: Platypus, frederikrheinz(at)googlemail.com
Dienstags, 18 Uhr im Seminarraum K2 im Studierendenhaus, Campus Bockenheim