Fachschaft Gesellschaftswissenschaften

Universität Frankfurt am Main
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Frankfurt am Main, den 07.12.2022

Stellungnahme der Fachschaft 03 zum Umgang der Universitätsleitung mit der Besetzung am 06.12.2022 (Pdf-link)

Am 06.12.2022 besetzte gegen 10 Uhr die Gruppe End Fossil: Occupy! den Hörsaal 1 der Goethe-Universität und stellte klimapolitische sowie soziale Forderungen. Ein Ziel war es, diese Forderungen und damit die Gründe für die Besetzung mit dem Präsidium der Goethe-Universität, insbesondere Präsidenten Enrico Schleiff, zu diskutieren. Auf inhaltliche Debatte mit den Aktivist:innen wollte sich die Unileitung jedoch nicht einlassen. Sie war lediglich dazu bereit, über Form und Ort des Protestes zu sprechen. Nachdem die Unileitung zu keinen weiteren Verhandlungen bereit war, veranlasste sie um 20 Uhr eine unverhältnismäßig aggressive Räumung durch eine Einsatzhundertschaft der Polizei. Ein solch brutales Vorgehen gegen die eigenen Studierenden stellt für uns einen Skandal und Vertrauensbruch dar. Mit dieser Stellungnahme als Fachschaft 03 wollen wir uns nicht zu End Fossil: Occupy! oder der Protestform positionieren, sondern Kritik am Präsidium und an Albrecht Fester äußern, insbesondere wie und mit welcher Begründung er den Protest beenden ließ. Des Weiteren beziehen wir Position zu der Mitteilung des Präsidiums und möchten damit die Ereignisse des gestrigen Tages richtigstellen.

 

  1. Verhandlungen mit dem Kanzler

Albrecht Fester, Kanzler der Goethe-Universität, begab sich nach einigen Stunden in den Hörsaal, um ein erstes Gespräch mit den Besetzer:innen zu führen. Dabei unterbreitete er den Vorschlag, der Protest solle in einen Hörsaal am alten – mittlerweile kaum noch genutzten – Campus Bockenheim stattfinden. Seitens der Besetzer:innen wurde die Räumung des Saales abgelehnt, da in Bockenheim kaum universitäre Aufmerksamkeit und Reichweite erreicht werden könne. Diese Besetzung sei kein Selbstzweck, sondern stelle ein Druckmittel für inhaltlich-politische Verhandlungen mit der universitären Leitung dar, so die Besetzer:innen. Weder für die Diskussion noch für die Auseinandersetzung mit den politischen Inhalten und Forderungen war der Kanzler bereit. Albrecht Fester beharrte, dass sie nicht im Hörsaal verbleiben können, da dieser das Herz der Goethe Universität sei. Dass sich die Studierendenschaft nur am zentralen IG Farben Campus politisches Gehör verschaffen könne, schien Albrecht Fester nicht nachvollziehen zu können oder wollen. Vielleicht wurde sein Verständnisvermögen auch dadurch beeinträchtigt, dass er sich nicht dazu durchringen konnte, während der Diskussionsversuche seinen AirPod aus dem Ohr zu nehmen.

Anders als in den ersten Presseberichten war die Unileitung auch bei den folgenden beiden Gesprächen in keiner Weise kompromissbereit. Diese Art der Verhandlung ist keine Neuheit von Seiten des Präsidiums, um sich Debatten mit der Studierendenschaft zu entziehen. Neu ist die Einschaltung der Polizei durch das Präsidium.

 

  1. Verhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes

Gegen 20 Uhr begab sich die Polizei mit dem Befehl zur Räumung in das Hörsaalzentrum. Skandalös ist hierbei der völlig unverhältnismäßige Aufmarsch von einer BFE-Einsatzhundertschaft (einer Spezialeinheit der Bereitschaftspolizei), welche in einem martialischen Auftritt in das Gebäude und den Hörsaal stürmten. Außer der juristisch vorgeschriebenen polizeilichen Ansage erfolgte keinerlei Kommunikation. Es wurde direkt mittels körperlicher Gewalt gegen die „wenigen“ Besetzer:innen im Gebäude vorgegangen.

„Damit ist die Goethe-Universität die erste Universität in Deutschland, die entschieden hat, Klimaproteste auf ihrem Campus polizeilich räumen zu lassen“, stellt ein studentisches Mitglied des Senats klar.

Die Verantwortung für die Unverhältnismäßigkeit der Räumung und das überhaupt Studierende von ihrem eigenen Campus mit Gewalt geräumt wurden, tragen einzig Kanzler Albrecht Fester und das Präsidium. Trotz Deeskalations- und Vermittlungsversuchen von AStA-Vertreter:innen und studentischen Senator:innen, war das Präsidium nicht dazu bereit, über einen Abbruch des unverhältnismäßigen Polizeieinsatzes zu verhandeln. Für uns hat eine universitäre Leitung, die dazu bereit ist, mit solchen Maßnahmen gegen ihre Studierenden vorzugehen, an Legitimität eingebüßt.

Wir sagen, Fester soll sich kein Beispiel an Adorno nehmen und seine Studierenden von der Polizei räumen lassen. Wir wünschen uns mehr Bezug zur Frankfurter Schule, aber nicht so.

 

  1. Dreiste Stellungnahme des Präsidiums

In der Stellungnahme der Goethe-Universität, thematisiert das Präsidium die Relevanz von Präsenzlehre: „Nach mehr als zweieinhalb Jahren Corona-Pandemie und der gegenwärtig herrschenden Energiekrise stelle die mit großem Aufwand wiederhergestellte Präsenzlehre einen hohen Wert für den Lehrbetrieb im Interesse aller Studierenden und Lehrenden dar“.

Präsenz an der Universität bedeutet auch selbstorganisierte Räume für politische Debatten  zur Verfügung zu stellen und die Universität nicht zu entpolitisieren. Im Anbetracht der Debatten über verkürzte Gebäudeöffnungszeiten, die Einführung eines Onlinefreitags und einer kompletten Schließung aller Unigebäude vom 22.12 bis zum 01.01.2023 ist es fraglich, inwieweit die Interessen der Studierenden für die Unileitung wirklich relevant sind.

Darüber hinaus erklärt sie in ihrer Stellungnahme, um die vermeintlich ausreichende Teilhabe Studierender bei klimapolitischen Fragen aufzuzeigen, dass sie „ein Büro für Nachhaltigkeit eingerichtet [haben], welches eng mit dem selbstverwalteten Goethes Green Office zusammenarbeitet“ und damit „ihren Beitrag bei der Umsetzung der 17 Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen leisten [wollen]“. Das Nachhaltigkeitsbüro entstand auf Initiative von Studierenden und wird jetzt von Seiten der Universität nun als Ausrede genutzt, um nicht weiter handeln zu müssen oder Verantwortung zu übernehmen. Die Arbeit, die das Büro in den letzten Monaten aufgenommen hat, kann aber nur ein Anfang sein, denn Konzepte auf Papier bedeuten noch keine einzige eingesparte Tonne CO2. Vielleicht hätte sich das Präsidium vor ihrer Stellungnahme erst einmal mit der eignen Nachhaltigkeitsbilanz auseinandersetzen sollen. Kleiner Reminder: Das Präsidiumsgebäude ist das Gebäude mit dem größten Energieverbrauch der Universität.


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